Sehr geehrte Damen und Herren Minister,
sehr geehrte Damen und Herren,
aus gegebenem Anlass möchten wir Ihre Landesregierung zur anstehenden Abstimmung im Bundesrat über Gesetzentwurf der Bundesregierung „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ (20/8704, 20/8763) auf folgende Gesichtspunkte aufmerksam machen:
In der Jusitzdebatte zur Cannabis-Entkriminalisierung müssen drei Aspekte auseinandergehalten werden.
Zum einen die „Amnestieregelung“ in § 40 ff. KCanG für abgeschlossene Verfahren, die eine politische Entscheidung zur Herstellung von materieller Gerechtigkeit war, und nur auf Antrag des Betroffenen erfolgt, und die gemäß Art. 15 CanG erst ein Jahr später in Kraft tritt. Ein Arbeitsaufwand erscheint möglich, aber auf der anderen Seite wird sich auch deutliche Entlastung sowohl für die Polizei als auch für Justiz durch den Wegfall der Besitzdelikte (pro Halbjahr ca. 90.000 Konsumenten-Delikte).
Dann müssen laufende Gerichtsverfahren wegen der Gesetzesänderung durch das CanG gemäß § 206b StPO unmittelbar durch Beschluss beendetwerden. Hier ergibt sich keine Belastung, vielmehr bedeutet das eine unmittelbar deutliche Entlastung, da die Verfahren sofort beendet werden können.
Und zuletzt geht es um die aktuell laufenden Vollstreckungen, für die wiederum zur Herstellung der materiellen Gerechtigkeit zwingend Art. 313 EGStGB gilt, der auch unabhängig von der gesetzlichen Klarstellung in Art. 13 CanG anzuwenden wäre. Wenn man das nicht wollte, müsste man die Anwendung ausdrücklich ausschließen im CanG, wie bereits von denkonservativen Kräften in der Justiz gefordert.
Wie viele Fälle in den einzelnen Gruppen relevant sind oder werden können, lässt sich nur schwer sagen. Genauere Erkenntnisse könnten tatsächlich nur durch eine umfassende Datenerhebung innerhalb der Justizverwaltungen gewonnen werden.
Haftentlassung nach Cannabis-Legalisierung: Bund geht von bis zu 7.500 Prüffällen von Straftaten austagesspiegel.de |
Das hat das BMJ getan. Es handelt sich lediglich um mehrere hundert Fälle bundesweit, bei denen eine laufende Haftstrafe vollstreckt wird, und die in Zusammenhang mit Cannabis stehen. Ergo: es ergibt sich hier keine besondere Belastung, der Aufwand ist vertretbar. In der letzten Pressekonferenz des BMG wurde diese Zahl auch wiederholt. Ganz wichtig: Wer in der Opposition eine andere Zahl für richtig hält, sollte diese belegen können – es gibt jedoch keine belegbaren Zahlen hierfür.
Da wir hier aber nur über den Besitz von 25 Cannabis im öffentlichen Raum, bis zu 50 g im befriedeten Besitztum bei Eigenanbau von bis zu 3 Pflanzen sprechen, die nicht mehr strafbewehrt sind, dürften in allen drei Kategorien nur die allerwenigsten Verfahren betroffen sein. In der Regel sollten diese Fälle bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden sein. Eintragungen mit über 90 Tagessätzen, die getilgt werden könnten, dürften bei diesen Strafbarkeitsgrenzen auch nur im Einzelfall ausgeurteilt worden sein. Dass derzeit Freiheitsstrafen vollstreckt werden, die den Besitz von bis zu 25 g Cannabis betrafen, halten wir für nahezu ausgeschlossen.
Die Anzahl der sogenannten deliktischen Mischfälle, in denen neben einem schwerwiegenden Delikt wie zum Beispiel Raub oder Totschlag die Verurteilung auch wegen des Besitzes von bis zu 25 g Cannabis Besitz erfolgte, und dementsprechend eine Neufestsetzung der Strafe erforderlich wäre, halten wir ebenfalls für überschaubar, siehe oben. Ganz abgesehen davon, dass Staatsanwaltschaften sich nicht strafbar machen können, wenn Sie diese Fälle nicht bis zum Gesetzeseintritt abhandeln. Denn das Gericht ist für diese Neufestsetzung zuständig, so dass es bereits an einer Täterstellung und einem Vorsatz fehlt, wenn der konkrete Fall nicht bekannt ist.
Wir gehen in jedem Fall bei einem laufenden Gerichtsverfahrens bzw. einer laufenden Vollstreckung, für die eine Neufestsetzung wegen Cannabis in Betracht kommt, davon aus, dass sich entweder die Verurteilten oder deren AnwältInnen von alleine melden, so dass kein besonderer Arbeitsanfall dieser wahrscheinlich sowieso allenfalls überschaubaren Anzahl an Fällen zu erwarten ist.
Falls tatsächlich in deliktischen Mischfällen eine Neufestsetzung der Strafe erforderlich werden sollte, dürfte die Neufestsetzung der Strafe wegen der Geringfügigkeit des Deliktes (25 g bzw. 50 g Besitz von Cannabis) nur unwesentlich milder ausfallen. Hierbei kommt es auf jeden Einzelfall gesondert an. Es ist nicht vorstellbar, dass auch nur ein Täter einen Tag lang zu viel im laufenden Vollzug wegen der Neufestsetzung seiner Gesamtstrafe verbringen muss.
Darüber hinaus gilt § 458 StPO, der ausdrücklich klarstellt, dass keine Vollstreckung unterbrochen werden muss, und damit auch keine massenweisen Entlassungen von verurteilten Straftätern drohen.
Hamburg hat bereits mitgeteilt, auf das Datum des 1.4.2024 vorbereitet zu sein:
Im Endeffekt werden nur wenige hundert Fälle betroffen sein, die vorrangig bearbeitet werden müssten, dafür aber das Gesetz als ganzes gefährdet, inklusive der Patienteninteressen an einer besseren Versorgung und der Interessen der Industrie, die für Investitionsentscheidungen auf einen klaren Rechtsrahmen angewiesen und ein vorhersehbares Inkrafttreten angewiesen ist.
Wir fordern Sie deshalb auf, dem erklärten Willen des Deutschen Bundestages und der erwünschten materiellen Gerechtigkeit Rechnung zu tragen, und auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus den vorgenannten Gründen zu verzichten!
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand von LEAP Deutschland e.V.
