Stellungnahme zum 5. Todestag von André Borchardt

„Die dramatischen Umstände des Todes von André Borchardt durch den Schuss eines Polizisten mit seiner Dienstwaffe zeigen, welche verheerenden Auswirkungen die Kriminalisierung von Drogengebrauchern haben kann“, so der ehemalige Polizeipräsident von Münster und Vorsitzende von LEAP Deutschland Hubert Wimber zur Erschießung des mutmaßlichen Cannabisdealers in Burghausen (Bayern). Sie jährt sich am 25.07.2019 zum fünften Mal. Der 33-Jährige wurde von zwei Polizisten in Zivil auf Basis eines Haftbefehls aufgesucht und von einem der beiden Beamten – am späten Nachmittag im belebten Hinterhof der Wohnung seiner Freundin – tödlich zwischen Nacken und Hinterkopf erschossen.

LEAP Deutschland organisiert vor allen Dingen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Strafverfolgungsbehörden, die sich für eine Entkriminalisierung und legale Regulierung von bisher illegalen Drogen einsetzen. „Gerade aufgrund unserer beruflichen Erfahrung als Polizisten und im Bereich der Strafjustiz kommen wir nicht umhin festzustellen, dass der Gebrauch der Schusswaffe mit den tödlichen Folgen für André Borchardt angesichts der bekannt gewordenen Umstände seiner versuchten Festnahme evident rechtswidrig war,“ erläutert Hubert Wimber.

Der potentiell tödliche Schusswaffengebrauch durch die Polizei sei grob unverhältnismäßig, wenn durch die zu verhaftende Person keine Gefahr für Leib und Leben ausgeht und nicht verdächtigt wird, ein Gewaltverbrechen begangen zu haben. Keine der Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs habe bei der versuchten Festnahme von André Borchardt vorgelegen. Sofern im Freistaat Bayern in der Ausbildung von Polizisten und Polizistinnen die Auffassung vertreten wird, der Schusswaffengebrauch sei immer dann zulässig, wenn sich jemand durch Flucht der Vollstreckung eines richterlichen Haftbefehls wegen eines Verbrechens entziehen wolle, sei diese Praxis rechtsstaatlich höchst bedenklich und schleunigst zu ändern.

Nicht nachvollziehbar ist aus der Sicht von LEAP Deutschland angesichts der offenkundigen Rechtswidrigkeit der Schussabgabe die Einstellung des Strafverfahrens gegen den damals 36-jährigen Polizeibeamten wegen fahrlässiger Tötung durch die Staatsanwaltschaft Traunstein. „Wir leben in einem Rechtsstaat und nicht im Wilden Westen“ so Wimber abschließend in seiner Beurteilung des Falles.

Da in einigen Darstellungen in Social Media-Kommentaren und in ein paar Zeitungsartikeln André Borchardt als „erschossener Drogendealer“ bezeichnet wurde, möchten wir betonen, dass er zum Zeitpunkt seines Todes kein Cannabisdealer mehr war. Der Haftbefehl wegen Verdachts auf Besitz von nicht-geringer Menge war nach der Aussage einer Person aus Borchardts früherem Umfeld und seiner Vorstrafe ausgestellt worden. Er hatte seine 5-jährige Haftstrafe bis 2013, ein Jahr vor seiner Erschießung, abgesessen. Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung. Nach seinem Tod wurde in Borchardts Wohnung kein Cannabis festgestellt. In seinem obduzierten Körper gab es keine Spuren von Cannabisgebrauch. André Borchardt hatte sich nicht erneut strafbar gemacht.

Dealer*innen handeln rechtswidrig und somit nicht im Sinne von LEAP Deutschland. LEAP Deutschland setzt sich für eine Drogengesetzgebung ein, die für Drogengebraucher*innen sichere Rahmenbedingungen schafft anstatt sie illegalen Märkten und drohender Strafverfolgung auszusetzen. Illegaler Anbau, Herstellung und Handel sollen durch einen legal regulierten Markt ersetzt werden. Eine solche Regulierung kann Qualität, Dosen und Zusammensetzungen garantieren und zuverlässig nachvollziehen lassen. Die Ressourcen der Polizeiarbeit sollen auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität anstatt auf Kleindealer*innen am Ende der fluiden Handelsstrukturen gerichtet werden.

Aus den dargelegten Gründen ruft LEAP Deutschland dazu auf, sich an dem durch die Ortsgruppe München des Deutschen Hanfverbandes (DHV) organisierten Gedenkmarsch am 27.07.2019 in Burghausen zu beteiligen. LEAP unterstützt die Bitte des DHV München an die Stadt Burghausen um die Genehmigung eines spendenfinanzierten Gedenksteins.


Zum Weiterlesen

Aussagen der Anwälte:

Schilderungen von Anwohner*innen und Freund*innen:

Angaben zur Polizei, Ermittlung und Einstellung:

Weiteres:

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