Offener Brief an CDU/CSU

An die CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag 

Platz der Republik 1

11011 Berlin  

14.12.2020 

Bitte um eine öffentliche Stellungnahme, wie es sein kann, dass Redner Ihrer Fraktion nachweislich falsche Informationen verbreiten, obwohl Sie sich als CDU/CSU-Fraktion öffentlich gegen das Verbreiten solcher “Fake News” positionieren.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,  

 

im Frühjahr 2017 haben Sie als CDU/CSU-Fraktion ein Positionspapier veröffentlicht, wie Sie gegen Fake News und Hassrede vorgehen möchten.​(1) Die CDU hat vor kurzem(2) zudem eine Internetseite mit dem Thema “Fakten gegen Fake-News” veröffentlicht. Auf dieser Seite wird empfohlen, Fotos, Videos und Artikel vor ihrer Verbreitung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Laut Landesmedienzentrum Baden-Württemberg handelt es sich bei “Fake News” um Informationen in Form von Texten, Fotos oder Videos, die nicht der Wahrheit entsprechen.(3​)

 

Am 29.10.2020 fand im Deutschen Bundestag eine Debatte zur Cannabis-Politik statt. Im Rahmen dieser Debatte hielten vier Redner aus der CDU/CSU-Fraktion Reden und äußerten sich gegen eine Legalisierung von Cannabis.  

 

Analog Ihrer Empfehlungen haben wir die in diesen Reden getätigten Tatsachen-behauptungen einem Faktencheck unterzogen: 

 

“Bei einer Legalisierung von Cannabis ist mit einer erhöhten Fallzahl von Konsumenten zu rechnen, ich glaube nicht, dass das runter geht.” (Gero Storjohann, 40:07) 

 

“Die Bundesärztekammer sagt uns, die Zahl der Konsumenten würde steigen, wenn wir diese Anträge annehmen würden” (Alexander Krauß, 54:27) 

 

“Wenn ich leichter an Drogen ran komme, dann wird logischerweise mehr konsumiert, das liegt in der Natur der Sache.” (Alexander Krauß, 56:48) 

 

Diese drei Aussagen implizieren, dass eine Legalisierung von Cannabis den Konsum erhöhen würde. Diese Aussagen halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand und sind schlichtweg falsch. Der wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung veröffentlichte am 21.11.2019 eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema “Legalisierung von Cannabis – Auswirkungen auf die Zahl der Konsumenten in ausgewählten Ländern.” In dieser Arbeit kommen die Autoren zu folgendem Ergebnis: 

 

“Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Verfolgung einer strikten Drogenpolitik wenig bis keinen Einfluss auf das Konsumverhalten hat. So wiesen einige der Länder mit den strengsten gesetzlichen Regelungen einige der höchsten 

Prävalenzraten im Hinblick auf den Drogenkonsum auf, während Länder, die eine 

Liberalisierungspolitik verfolgen, einige der niedrigsten Prävalenzraten aufwiesen.”(4​) 

 

“… die Ärztekammer hat das gemacht. Und hat nach Colorado geschaut. Und dort ist nach der Legalisierung innerhalb von zwei Jahren die Zahl der behandlungsfähigen, der behandlungsbedürftigen Fälle hat sich fast verdoppelt.” (Alexander Krauß, 54:41) 

 

“Für die legalen Suchtmittel Alkohol und Tabak liegen die Quoten von riskantem bzw. klinisch relevantem Konsum in der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland gem. epidemiologischen Suchtsurvey um das sieben- bis zwanzigfach höher als bei Cannabis. Durch eine Legalisierung von Cannabis wäre eine ähnliche Entwicklung des riskanten bzw. klinisch relevanten Konsums von Cannabis zu erwarten. Studien aus den USA belegen, dass die Legalisierung von Cannabis mit einem deutlichen Zuwachs des Konsums verbunden ist, z.B. ist im US-Bundesstaat Colorado der riskante und klinisch relevante Konsum von Cannabis seit dessen Legalisierung gestiegen.” (Stephan Pilsinger, 02:25)  

 

Auch diese Aussagen sind wissenschaftlich nicht haltbar. Bezüglich Colorado kommt der wissenschaftliche Dienst des Bundestags zu folgendem Ergebnis. 

 

“Auch für Colorado – einer der ersten Bundesstaaten in den USA, in denen Cannabis legalisiert wurde – liegen bereits Erkenntnisse zur Entwicklung des Konsums nach der Legalisierung von Cannabis vor. So kommen die Autoren einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass der Konsum von Cannabis nach der Legalisierung nicht zugenommen habe. Grundlage für diese Einschätzung waren Daten des Colorado Department of Public Health and Environment. Danach blieb der Konsum von Cannabis in den vergangenen 30 Tagen bei Erwachsenen im Jahr 2015 mit 13,4 Prozent in etwa auf dem Niveau von 13,6 Prozent im Jahr 2014. Auch hinsichtlich des Anteils der Cannabiskonsumenten unter Highschool-Schülern sei demnach kein statistisch signifikanter Anstieg feststellbar gewesen.”(4​)

 

“Beispiel Kanada zeigt doch das genaue Gegenteil. Dort ist die Zahl der Konsumenten um über 50 Prozent gestiegen zeigen alle Statistiken und Zahlen.” (Christoph Ploß 1:09:09) 

 

Diese Aussage muss differenziert betrachtet werden. So, wie sie von Herrn Ploß getätigt wurde, ist sie ist falsch. Tatsächlich kam es in Kanada nach der Legalisierung zu einem Anstieg des Konsums. Jedoch ist nicht die Zahl der Konsumenten, so wie Herr Ploß dies darstellt, um 50 Prozent gestiegen, sondern lediglich die Zahl der Erstkonsumenten hat sich fast verdoppelt. Der Wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung kommt zu folgendem Ergebnis:  

“Die Anzahl der Erstkonsumenten hat sich von 327.000 im ersten Quartal 2018 auf 646.000 im ersten Quartal 2019 nahezu verdoppelt. Nach Angabe von SC hätten im ersten Quartal des Jahres 2019 insgesamt circa 5,3 Millionen Kanadier im Alter von mindestens 15 Jahren Cannabis konsumiert. Dies entspricht 18 Prozent der Bevölkerung. Der Wert liegt damit vier Prozent über dem ein Jahr zuvor (und damit vor der Legalisierung) ermittelten Wert, der bei 14 Prozent lag. Ein Großteil des Anstiegs ist auf den gestiegenen Konsum von Cannabis in der Gruppe der Männer im Alter von 45 bis 64 Jahren zurückzuführen.”(4​)

“SC weist darauf hin, dass zur Ermittlung der Auswirkungen einer Legalisierung wichtiger noch als die reine Anzahl der Konsumenten die Zahl der Konsumenten sei, die Cannabis häufiger bzw. regelmäßig, d.h. (fast) täglich konsumieren (higher frequency use). Zurückzuführen sei dies auf den Zusammenhang zwischen regelmäßigem Konsum und dem Risiko einer Abhängigkeit, einer schlechten mentalen Gesundheit und geringeren akademischen Leistungen. Nach der Legalisierung gaben 6 Prozent der Befragten an, Cannabis (fast) täglich zu konsumieren. Dies entspricht fast 1,8 Millionen Kanadiern. Im Vergleich zum ersten Quartal 2018 ist dieser Wert – ebenso wie der Wert für den monatlichen Konsum, der bei zwei Prozent lag – nach Angabe von SC in etwa auf demselben Niveau geblieben.”(4​)

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle vier Redner der CDU/CSU-Fraktion damit argumentieren, dass der Konsum bei einer Legalisierung ansteigen würde. Dieses Argument ist jedoch, wie durch den Wissenschaftlichen Dienst der Bundesregierung festgestellt, nicht haltbar und entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit. 

 

“… und mitunter Cannabis ist auch ein Einstieg in eine Drogenkarriere.” (Alexander Krauß, 54:01),  

 

“Also schauen Sie sich die Realität an, schauen Sie sich die Lebensläufe von diesen Drogenkranken an, gehen Sie bitte mal in die Drogenkliniken, dort werden Sie haufenweise solche Fälle finden, wo Cannabis die Einstiegsdroge war.” (Alexander Krauß, 56:55) 

 

“… und es ist der Einstieg in das harte Drogengeschäft.” (Christoph Ploß, 1:09:09) 

 

Diese Aussagen sind falsch. Bereits 1994 wurde durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, “dass Haschisch keine Einstiegsdroge für härtere Drogen sei und auch keine Schrittmacherfunktion entfalte.” (5) 

Auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit) kommt zum Ergebnis, dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist.  

“Strikte Cannabis-Gegner bezeichnen es oft als Einstiegsdroge. Grundlage der Theorie ist die Beobachtung, dass fast alle Heroinabhängigen früher Cannabis geraucht haben. Der Umkehrschluss – nämlich dass die meisten Cannabiskonsumenten später automatisch zu „harten“ Drogen wechseln – konnte jedoch bisher in keiner einzigen wissenschaftlichen Studie belegt werden.” (6)​ 

 

“Und natürlich, das sagt uns übrigens auch die Bundesärztekammer, führt eine Legalisierung dazu, dass der Konsum von Jugendlichen steigen wird.” (Alexander Krauß, 56:55) 

 

Der wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung kommt auch hier zu einem anderen Ergebnis: 

“Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass sich durch die Legalisierung von Cannabis (zur nicht-medizinischen Verwendung) die Wahrscheinlichkeit eines Cannabiskonsums um acht Prozent reduzierte, die Wahrscheinlichkeit eines regelmäßigen Konsums von Cannabis um 9 Prozent sank. Nach Ansicht der Autoren könne die Freigabe von Cannabis zur nicht-medizinischen Verwendung zu einer Verringerung der Konsumprävalenz bei Jugendlichen führen. Dies stimme mit den Ergebnissen anderer Studien überein und passe zu dem Argument, dass durch die Legalisierung Dealer durch lizenzierte Ausgabestellen ersetzt würden und Jugendlichen dadurch der Zugang zu Cannabis erschwert würde.”(4​)

“So kommen die Autoren einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2017 zu dem Ergebnis, dass der Konsum von Cannabis nach der Legalisierung nicht zugenommen habe. Grundlage für diese Einschätzung waren Daten des Colorado Department of Public Health and Environment. Danach blieb der Konsum von Cannabis in den vergangenen 30 Tagen bei Erwachsenen im Jahr 2015 mit 13,4 Prozent in etwa auf dem Niveau von 13,6 Prozent im Jahr 2014. Auch hinsichtlich des Anteils der Cannabiskonsumenten unter Highschool-Schülern sei demnach kein statistisch signifikanter Anstieg feststellbar gewesen”.(4​) 

Für den US-Bundesstaat Kalifornien ergibt sich folgendes Bild: die Forscher beobachteten “einen Rückgang des Cannabiskonsums bezogen auf 30 Tage vor der Befragung. Danach sank die Prävalenzrate bei den Schülern der Klassenstufe 7 von fünf Prozent auf 2,3 Prozent, in der Klassenstufe 9 von 13,4 Prozent auf 9,5 Prozent und in der elften Klasse von 20,1 Prozent auf 16,7 Prozent; dies entspricht jeweils einem Rückgang um drei bis vier Prozentpunkte. Auch die Lebenszeitprävalenz sei nach Angabe der Autoren in den Jahren 2015-2017 im Vergleich zum Zeitraum 2013-2015 in allen drei Klassenstufen um vier (Klasse sieben) bzw. sechs (Klassen neun und elf) auf vier, 17 bzw. 32 Prozent gesunken. 

Der bereits in den Jahren zuvor verzeichnete Rückgang des Cannabiskonsums wurde den Autoren zufolge verstetigt.”(4​)

 

Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die vier Politiker Stephan Pilsinger, Gero Storjohann, Alexander Krauß und Christoph Ploß in ihr  en Reden nachweislich falsche Informationen und somit laut Definition “Fake News” verbreitet haben.  

Wir bitten um eine öffentliche Stellungnahme, wie es sein kann, dass die Redner Ihrer Fraktion nachweislich falsche Informationen verbreiten, obwohl Sie sich als CDU/CSU-Fraktion öffentlich gegen das Verbreiten solcher “Fake News” positionieren. 

 

Mit freundlichen Grüßen

I.A.Hubert Wimber
Vorsitzender des Vorstandes LEAP (Law Enforcement Against Prohibition) – Deutschland e.V. 

 

Quellen:  

Die Aussagen stammen aus folgendem Youtube-Video, in der Klammer ist der jeweilige Redner sowie die Stelle, an welcher die Aussage zu finden ist, angegeben: 

https://www.youtube.com/watch?v=iFjXyE8ied8&t=3695s 

 

1: https://www.cducsu.de/sites/default/files/2017-01-24_positionspapier_soziale_medien_-_10_ 00_uhr.pdf 

2: https://www.cdu.de/fakten-gegen-fakenews 

3: https://www.lmz-bw.de/medien-und-bildung/jugendmedienschutz/fake-news/was-sind-fake-n ews/ 

4: https://www.bundestag.de/resource/blob/675688/4ba9aed6de8e9633685a1cdc2d823525/W D-9-072-19-pdf-data.pdf, 

5: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1994/03/ls1994 0309_2bvl004392.html 

6: https://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/Die_Sucht_und_ihre_Stoffe_CANNABIS.pdf

 

 

 

 

 

 

 

 

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