Memorandum: Wofür wir stehen – Was wir wollen

Seit 1961 existiert die moderne Drogenprohibition mit der Folge, dass die Umgangsformen mit vielen Drogen verboten sind und ihr Konsum von der herrschenden Politik als ein von der gesellschaftlichen Norm abweichendes Verhalten begriffen und entsprechend strafrechtlich sanktioniert wird. Diese prohibitive Drogenpolitik ist nicht nur gemessen an ihren eigenen Zielen der Schadensreduzierung für Konsumierende und der Generalprävention gescheitert, sondern verstößt wegen der Unverhältnismäßigkeit der damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen gegen das Grundgesetz und ist nach Auffassung der Mehrheit der deutschen Strafrechtsprofessoren und -professorinnen verfassungswidrig.

Die polizeiliche Kriminalstatistik weist in den letzten 10 Jahren kontinuierlich eine steigende Tendenz der Zahl der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz auf und hat 2017 mit 330.580 Ermittlungsverfahren einen historischen Höchststand erreicht. In 77,2 % dieser Fälle und damit in 255.340 Verfahren richteten sich die polizeilichen Ermittlungen wegen sogenannter konsumnaher Verstöße gegen Konsumierende. Jährlich werden zwischen 50.000 und 55.000 Drogenkonsumierende wegen Erwerb und Besitz im Regelfall geringer Mengen von illegalen Substanzen zum Eigenbedarf verurteilt. Der „Krieg gegen die Drogen“ wird damit vor allem als Krieg gegen die Drogenkonsumierenden geführt. Dieser Prohibitionspolitik fehlen Vernunft und Augenmaß, da bei diesen Delikten weder eine nennenswerte Rechtsgüterverletzung noch eine Schädigung von Rechtspositionen Dritter erkennbar ist.

Als ein Verein, der nicht ausschließlich aber vor allen Dingen Mitglieder organisiert, die berufliche Erfahrungen in Strafverfolgungsbehörden beziehungsweise auf dem Gebiet der Strafrechtspflege haben, unterstützen wir die Forderung nach einer Rücknahme des Drogenverbots und seiner Sanktionsbewehrung sowie den Diskurs zu einer substanzspezifischen Regulierung auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz und einer rechtsstaatlichen Grundrechts- und Risikoabwägung. Die auch in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit vermehrt vorkommenden rechtspolitischen Initiativen, die eine vollständige oder teilweise Abkehr von der herrschenden Prohibitionspolitik beinhalten, werden von uns fachlich begleitet und/oder unterstützt.

Angesichts der Erkenntnis, dass die individuellen und gesellschaftlichen Risiken des Konsums der dem Betäubungsmittelstrafrecht unterliegenden Substanzen weniger auf den Inhaltsstoffen dieser Substanzen sondern viel mehr auf den illegalsierten Bedingungen, unter denen sie konsumiert werden, beruht, gilt die Forderung nach einer Rücknahme des Verbots für alle der Drogenprohibition unterliegenden Substanzen. Trotz substanzspezifisch unterschiedlicher sozialer und gesundheitlicher Risiken für die Konsumierenden gilt generell, dass die Kriminalisierung diese Risiken erhöht und in keinem Fall vermindert. Wir nehmen allerdings wahr, dass sich die gegenwärtigen rechtspolitischen Aktivitäten zur Abkehr von der Prohibition weltweit und auch in Deutschland in allererster Linie auf Cannabis als die am häufigsten konsumierte illegalisierte Substanz beziehen. Insofern werden auch wir aktuell unsere Aktivitäten darauf konzentrieren, die Verbotspolitik im Umgang mit Cannabis auch außerhalb der medizinischen Nutzung durch ein Modell der Entkriminalisierung der Konsumierenden und einer regulierten Abgabe zu ersetzen.

Die von uns angestrebte rationale Suchtpolitik muss vor allem gewährleisten, dass Menschen, die Suchtmittel konsumieren, möglichst risikoarme Konsummuster aufweisen und möglichst früh effektive Hilfen zur Reduzierung der mit dem Konsum verbundenen Risiken und Schäden erhalten. Wir wenden uns gegen die Prohibitionsbefürworter, die beispielsweise unter Hinweis auf die erhöhten THC-Werte bei Cannabisprodukten und damit eines unterstellten erhöhten Konsumrisikos auf die Unverzichtbarkeit der strafrechtlichen Verfolgung beharren und dabei ignorieren, dass die von ihnen kritisierten Umstände gerade auf die von ihnen befürwortete Kriminalisierung zurückzuführen sind.

Wir wollen demgegenüber eine Regulierung des Drogenmarktes, der folgende Mindestbedingungen erfüllt:

  • eine Produktkontrolle im Interesse eines wirksamen Verbraucher- und Gesundheitsschutzes durch eine staatliche kontrollierte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zur Abgabe an den Endverbraucher,
  • einen wirksamen Jugendschutz aus der Erkenntnis heraus, dass die sozialen und gesundheitlichen Risiken des Konsums umso größer sind, je früher der Konsum psychotrop wirkender Substanzen beginnt, dies gilt auch und vor allen Dingen für die Substanz Alkohol,
  • die Wiederherstellung einer nicht mehr existierenden internationalen und nationalstaatlichen Kontrolle über einen Drogenmarkt, der durch exorbitante Profitraten und organisierte kriminelle Gewalt vor allem in den Anbau- und Transitländern gekennzeichnet ist,
  • die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden von verfassungsrechtlich bedenklicher und im Ergebnis wirkungsloser Ermittlungsarbeit.

Neben unseren Initiativen auf Bundesebene streben wir eine Vernetzung mit LEAP Deutschland vergleichbaren Organisationen im europäischen sowie im außereuropäischen Ausland an, da wir einerseits von konkreten Erfahrungen bei praktizierter Entkriminalisierung wie aktuell in Kanada profitieren wollen und andererseits den durch die Drogenprohibition intendierten und nicht intendierten Folgeproblemen nur durch internationale Zusammenarbeit erfolgreich begegnet werden kann.

18.1.2019, Berlin

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