An den:
Minister der Justiz Nordrhein-Westfalen
Dr. Benjamin Limbach (persönlich)
Martin-Luther-Platz 40
40212 Düsseldorf
Sehr geehrter Herr Dr. Limbach,
wir schreiben Sie heute von LEAP Deutschland e.V. an mit der Bitte, Ihre Position zur Verabschiedung des Cannabisgesetz (CanG) im Bundesrat näher zu erläutern. LEAP Deutschland ist bundesweites und globales Netzwerk, das auf die schädlichen Folgen der Drogenprohibition aufmerksam machen und legale Alternativen zur repressiven Drogenpolitik aufzeigen möchte.
Sie haben am 27.2.2024 im WDR bekannt gegeben, eine Mehrheit der Bundesländer im Bundesrat organisieren zu wollen, um gegen das vom Bundestag überwiesene CanG einen Einspruch einzulegen. Sie seien nicht grundsätzlich gegen das Gesetz, aber für ein späteres Inkrafttreten am 1.10.2024, um die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Ihrem Bundesland vor strafbaren Handlungen zu schützen.
Nach der neuen Rechtslage, wie sie mit dem CanG gelten würde, ist der Besitz von bis zu 25 g Cannabis im öffentlichen Raum erlaubt, sowie der private Eigenanbau von insgesamt nicht mehr als drei Cannabis-Pflanzen, wobei nicht mehr als 50 g getrocknetes Cannabis am Wohnsitz gelagert werden darf. Sollten wegen dieser Taten tatsächlich Verurteilungen erfolgt sein, deren Vollstreckung abgeschlossen ist, soll eine Tilgung aus Bundeszentralregister möglich sein, allerdings nur auf Antrag des Betroffenen. Sie selbst geben in dem Interview an, dass nicht diese einzelnen Tatbestände, wie zuvor aufgelistet, problematisch sind, sondern allein Verfahren, in denen weitere Straftaten begangen wurden, die sogenannten deliktischen Mischfälle (Art. 313 Abs. 3 EGStGB).
Insofern stellen sich uns mehrere Fragen, deren Beantwortung wir von Ihnen und Ihrem Hause hiermit höflichst erbitten:
1. Sie teilten in diesem Interview mit, dass sie eine neue Anfrage an Ihre Staatsanwaltschaften versandt haben, mit der Bitte um Mitteilung, wie viele Fälle hiervon betroffen sind. Welchen genauen Wortlaut hatte diese Anfrage, bzw. welche Kriterien sollen für die Überprüfung angewendet werden?
Ferner bitten wir höflichst um Übersendung des Ergebnisses dieser Abfrage, sobald es in der KW 10 bei Ihnen vorliegt.
2. Auf welcher Rechtsgrundlage gehen Sie davon aus, dass die Staatsanwaltschaften in diesen deliktischen Mischfällen tätig werden müssen? Ist es nicht vielmehr so, dass das Gericht tätig werden muss gemäß Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB?
Insofern verweisen wir auf Art. 313 Abs. 3 Satz 1 EGStGB, der anordnet, dass die Abs. 1 und 2 gerade nicht anzuwenden sind, sondern die Strafe vom Gericht neu festzusetzen ist. Es droht damit gerade kein Straferlass bei Verurteilungen, die noch nicht vollstreckt sind, und damit auch nicht die Entlassung von Straftätern aus laufenden Vollstreckungen.
3. Auf welcher Rechtsgrundlage müssen die Anträge der Staatsanwaltschaft (welche Anträge genau? Erforderlicher Antragsinhalt?), auf die Sie sich im Interview beziehen, genau bis zum 1.4.2024 bzw. bis zum Inkrafttreten des CanG vorgelegt werden?
4. Auf welcher Rechtsgrundlage ergibt sich eine Strafbarkeit von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bzw. Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, wenn die Strafe bei deliktischen Mischfällen nicht gemäß Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB neu festgesetzt wird?
Eine mögliche Strafbarkeit könnte sich aus § 345 StGB, Vollstreckung gegen Unschuldige, ergeben. Insofern halten wir allerdings die Staatsanwaltschaften und die Rechtspflege nicht zum potentiellen möglichen Täterkreis, da insofern schon keine erforderliche Tathandlung vorliegt. Das ist allerdings Voraussetzung für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes von § 345 StGB.
5. Die Stellungnahme des Bundesrates auf den Entwurf der Bundesregierung vom 16.8.2023 erfolgte am 29.9.2023. Sodann wurden vom Bundesgesundheitsministerium am 23.11.2023 Formulierungsvorschläge bezüglich erforderlicher Änderungen zum CanG veröffentlicht, wobei das Inkrafttreten am 1. April 2024 bereits vorgeschlagen wurde. Anschließend fanden weitere Gespräche innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion, innerhalb der Ampelfraktionen und mit den Ministerinnen und Minister der Länder statt, in denen man sich auf wenige weitere Änderungen verständigt hat, zum Beispiel im Hinblick auf die Fristen der Evaluation.
Was war die Begründung der Ampelfraktionen und des Gesundheitsministeriums, warum im Hinblick auf den Vollstreckungsaufschub ein späteres Inkrafttreten nicht infrage kommt? Haben Sie entsprechend nachgefragt?
6. Wie bewerten Sie den möglichen Arbeitsanfall, der bei Weitergeltung der alten Rechtslage des BtMG für 6 Monate entstehen würde, im Vergleich zu dem Aufwand, der durch die vom CanG vorgesehene Regelung ab 1.4.2024 anfallen würde?
Für die zeitnahe Beantwortung der Fragen, im Interesse der Strafverfolgung, der beratenden Rechtsanwälte, und nicht zuletzt der von der Verschiebung am meisten betroffenen Konsumenten bedanken wir uns bereits jetzt herzlich!
Ferner weisen noch darauf hin, dass wir diese Anfrage öffentlich machen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Wimber
Kai-Friedrich Niermann
Jochen Andruschak
Natascha Barz
Vorstand LEAP Deutschland e.V.
LEAP Deutschland e.V.
Gereonstraße 14
48145 Münster
