LEAP Deutschland begrüßt die neuen Entwicklungen in Deutschland und die Pläne der Bundesregierung zur Reform der Cannabis-Politik, und wird alle Bemühungen zur Umsetzung vollauf unterstützen.
Insbesondere die Herausnahme von Cannabis aus dem BtMG kann den Anfang eines Paradigmenwechsels darstellen. Ein eigenes Cannabisgesetz, das auch wesentliche Erleichterungen beim Umgang mit Nutzhanf, CBD-Produkten und medizinischem Cannabis bringt, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Trotzdem weisen wir darauf hin, dass der vorgelegte Entwurf noch deutlich nachgebessert werden muss.
Aus den strikten Regelungen wird ersichtlich, dass ausschließlich gesundheitspolitische Aspekte berücksichtigt wurden, in vermeintlicher Sorge um einen Anstieg des Konsums, aber Fragen der gesellschaftlichen Gleichberechtigung, der sozialen Gerechtigkeit und einer Praktikabilität bei der Anwendung der neuen Vorschriften weitestgehend ausgeklammert wurden.
Aus unserer Sicht bedeutet ein Paradigmenwechsel, dass ein Cannabisgesetzes nicht ein BtMG 2.0 sein darf, sondern tatsächlich auch eine andere Sichtweise auf Cannabis und Cannabiskonsumenten einleitet. Deshalb lehnen wir eine Strafbarkeit des Überschreitens der viel zu niedrigen Grenze von 25 g sowie von 3 blühenden Pflanzen pro Jahr strikt ab. Hier muss das Ordnungswidrigkeitenrecht und damit auch das Opportunitätsprinzip für die Polizei gelten, ansonsten würde sich der Kontrolldruck, den wir über Jahrzehnte gesehen haben, lediglich geringfügig verschieben.
Den Anbauvereinigungen droht ein bürokratischer „Overkill“ mit den im Gesetz vorgesehenen Dokumentations-, Berichts und Meldepflichten, sowie den zahlreichen behördlichen Überwachungs-, Betretungs- und Einsichtsrechten. Mitglieder werden in zwei Altersgruppen unterteilt, die unterschiedlich im Hinblick auf Abgabe und THC-Gehalt erfasst werden müssen.
Gemeinsamer Konsum in den Anbauclubs, einem eigentlich geschützten Raum abseits der Öffentlichkeit für genau diesen Zweck, soll nicht möglich sein. Eine eventuelle Missachtung dieses umfangreichen Regelwerkes kann mit zahlreichen Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden, die die Verantwortlichen der Vereinigung treffen. Damit droht die Gefahr, dass die Regelungen das genaue Gegenteil ihrer eigentlichen Intention bewirken, dass nämlich zu wenige Konsumenten dieses Angebot in Anspruch nehmen, und der Schwarzmarkt aufgrund seiner leichteren Verfügbarkeit, auch für Edibles, langfristig eine erhebliche Relevanz behalten wird.
Die vorgesehenen Regelungen zu Cannabis im öffentlichen Raum sind gänzlich vom gesundheitspolitischen Alarmismus des Gesundheitsministeriums bestimmt. Wenn der Konsum von Cannabis in oder in der Nähe von den Anbauvereinigungen, Kindergärten, Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen und Fußgängerzonen auch an den Orten verboten sein soll, an denen sich Kinder und Jugendliche regel-mäßig aufhalten können, wie zum Beispiel in Parks, Alleen, an Seen etc., droht eine vollständige Verbannung von Cannabis aus dem öffentlichen Raum. Wer soll in der konkreten Situation bestimmen, ob sich Kinder und Jugendliche regelmäßig an diesem Ort aufhalten, und der Konsum deshalb eine Ordnungswidrigkeit darstellt? Die Polizei oder Ordnungsbehörden? Im Zweifel droht hier eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die vor den zuständigen Gerichten geklärt werden muss. Die erhoffte Entlastung von Polizei und Justiz wird sich so jedenfalls nicht einstellen.
Aus Sicht der Strafverfolgung greift die vorgesehene Amnestieregelung viel zu kurz. Nur die wenigsten Fälle, in denen der Besitz von 25 g oder 3 blühenden Pflanzen angeklagt wurden, dürften mit Geldstrafen über 90 Tagessätzen belegt worden sein, sodass eine Streichung aus dem Bundeszentralregister gar nicht erst in Betracht kommt. Relevant könnte diese Regelung für Händler von CBD-Blüten oder Extrakten werden, die teilweise zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Allerdings auch nur, wenn der Gehalt der CBD-Produkte unter 0,3 % gelegen hat.
Ebenso wenig ist nachzuvollziehen, dass Personen, die aufgrund der Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verurteilt wurden, keine Vorstandstätigkeit in Anbauvereinigungen übernehmen dürfen.
Hierbei handelt es sich oftmals um Personen mit einem erheblichen Know-how bei der Kultivierung von Cannabis, und die aufgrund der (gescheiterten) Prohibition teils jahrzehntelang in die Illegalität gedrängt wurden. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, auch diesen Leuten eine Chance zu bieten, sich offiziell im neuen Rechtsrahmen engagieren zu dürfen. In den USA und Kanada ist die Berücksichtigung dieser Frage (Stichwort „Social Equity“) bei jeder gesetzlichen Neuregulierung zu Cannabis unerlässlich geworden.
Außerdem muss die Führerscheinfrage geklärt werden, und zwar durch Einführung eines gesetzlich festgeschriebenen Grenzwertes in § 24 a StVG auf mindestens 10ng/ml Blutserum, bis durch wissenschaftliche Studien gegebenenfalls sogar ein höherer Grenzwert festgelegt werden kann. Nur so kann sichergestellt werden, dass nichtberauschte Autofahrer nicht einem „Ersatzstrafrecht“ zum Opfer fallen, und von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden.
Samen für den Anbau in Anbauvereinigungen sollen vom Bundessortenamt zugelassen werden müssen. Laut der Gesetzesbegründung soll die Zulassung dem Gesundheitsschutz der Konsumenten dienen. Ohne den THC-Wert ausdrücklich zu nennen, ist anzunehmen, dass das Erfordernis der Zulassung insbesondere diese Frage betreffen wird. Das Landwirtschaftsministerium wird zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, die die Einzelheiten hierzu regeln soll, und der der Bundesrat zustimmen muss.
Das darf nicht dazu führen, dass eine THC-Obergrenze durch die Hintertür eingeführt und sich hierdurch das weitere Gesetzgebungsverfahren verzögert. Denn die Zulassung von Samen beim Bundessortenamt nimmt üblicherweise durch erforderliche Dokumentationen und Stabilitätsnachweise mehrere Jahre in Anspruch. Auch hier sollten die Aspekte des Gesundheitsschutzes hinter die Erfordernisse einer zügigen Umsetzung und praktikablen Anwendung des Gesetzes zurücktreten.
Cannabisproduktionen, ob im Homegrow oder in Anbauvereinigungen, sehen sich immer zwei grundsätzlichen Problemen gegenüber: der Unter- oder der Überproduktion. Warum sollte man deshalb nicht tauschen oder kostenlos abgeben dürfen, und der Tausch nur auf den gemeinsamen Konsum im privaten Raum beschränkt sein? Hier sollen nicht erforderliche und in sich widersprüchliche Regelungen eingeführt werden, die ein potenziell justiziables Feld eröffnen, dass nicht eröffnet werden sollte. Verantwortliche in Anbauclubs, Eltern, die Cannabis zu Hause anbauen und lagern, rechtssicheres Autofahren, und auch perspektivisch Cannabis Cups als Teil einer lebendigen Cannabis-Kultur, all diese Konstellationen müssen möglich sein und vor Strafverfolgung geschützt werden!
Insgesamt gibt es verfassungsrechtlich ein milderes Mittel, eine Großzahl der geplanten Maßnahmen überflüssig zu machen, und das ist die Stärkung der Prävention, die dringend massiv ausgebaut werden muss, wie vom Beauftragten der Bundesregierung mehrfach angekündigt.
Wir fordern nun die Beteiligten Akteure auf, insbesondere die Abgeordneten die Ampel-Fraktionen, entsprechend gegenzusteuern und nachzubessern. LEAP Deutschland bietet seine Hilfe hierbei zu jeder Zeit an!
Der Vorstand von LEAP (Law Enforcement Against Prohibition) Deutschland e.V.
kontakt@leap-deutschland.de